von Sven Crombach, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht
Nach einer Trennung und Scheidung können Eheleute einander zu Unterhalt verpflichtet sein. In Gesetz und Rechtsprechung ist geregelt, wann und in welcher Höhe Unterhaltsansprüche bestehen. Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen Unterhalt verlangen, wenn er wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nicht in der Lage ist, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen. Hierbei hat der Gesetzgeber durch eine umfassende Unterhaltsreform den Grundsatz der Eigenverantwortung gestärkt, wonach es zunächst jedem Ehegatten selbst obliegt, für seinen Unterhalt zu sorgen. Nur wenn er dazu aus verschiedenen Gründen außer Stande ist, hat er gegen den anderen Ehegatten einen Unterhaltsanspruch. Der wichtigste Grund für eine Berechtigung zum Unterhalt nach der Ehescheidung ist die Kinderbetreuung.
Wegen der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder besteht ein Unterhaltsanspruch zunächst in jedem Fall für mindestens drei Jahre nach der Geburt des jüngsten Kindes. Während dieser Zeit ist der betreuende Ehegatte grundsätzlich nicht verpflichtet, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Danach setzt regelmäßig eine Erwerbsobliegenheit ein, da jedes Kind ab Vollendung des dritten Lebensjahres einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz besitzt. Dabei soll jedoch ein abrupter Wechsel von der Kinderbetreuung zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit vermieden werden. Vielmehr soll ein stufenweiser Übergang erfolgen. Ab wann der betreuende Elternteil in welchem Umfang verpflichtet ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt. Im Gesetz heißt es dazu nur, dass sich der Unterhaltsanspruch nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes verlängert, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Der Gesetzgeber hat einige kind- und elternbezogene Gründe aufgeführt, die im Rahmen dieser Billigkeitserwägung zu berücksichtigen sind. Die Ausfüllung dieser Billigkeitsregelung obliegt damit den Gerichten. Der Bundesgerichtshof hat hierzu inzwischen wiederholt entschieden, dass bei der Abwägung nicht allein auf das Alter des Kindes abzustellen ist, so dass sich ein starres Altersphasenmodell verbietet. Vielmehr ist nach dem Ablauf der drei Jahre eine Abwägung im Einzelfall nach Billigkeitsgesichtspunkten durchzuführen. Dabei spielt neben dem Alter des Kindes unter anderem eine Rolle, ob und welche Angebote der Kinderbetreuung bestehen, ob das Kind fremdbetreuungsfähig ist, ob gesundheitliche Besonderheiten bestehen, ob besonderer Betreuungsbedarf gegeben ist, welche Rollenverteilung die Eltern während der Ehezeit praktiziert haben, sowie die Dauer der Ehe. Ebenfalls müssen die Erwerbsaussichten des betreuenden Elternteils aufgrund seiner beruflichen Qualifikation und der Situation auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden.
Insgesamt ist es aufgrund dieser Verschiebung des Unterhaltsrechtes hin zu einer Billigkeitsabwägung schwierig geworden, generelle Aussagen über das Einsetzen der Erwerbsverpflichtung zu treffen. Hierfür ist vielmehr die konkrete Situation der Familie umfassend zu erfassen und zu berücksichtigen.