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Der Versicherungsvertrag: Beratungs- und Informationspflichten bei Vertragsschluss

von Dirk Schäfer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht

1. Allgemeine Voraussetzungen
Der Versicherungsvertrag ist grundsätzlich ein Vertrag wie jeder andere. Er kommt durch Antrag und Annahme zustande. Das Besondere an einem Versicherungsvertrag ist die wirtschaftliche Bedeutung für die Vertragsparteien (z.B. Versicherung gegen Haftpflichten, Feuer, Krankheit) und die Langfristigkeit der Verträge (z.B. Lebens- und Rentenversicherungen). Um diese Ziele zu erreichen, muss der Abschluss des Versicherungsvertrages wohl überlegt sein. Dafür hat der Gesetzgeber verschiedene Hilfestellungen gegeben, um insbesondere den Versicherungsnehmer vor dem Abschluss übereilter oder nicht interessengerechter Verträge zu schützen.
 

2. Beratungspflichten vor Vertragsschluss (Beratungsprotokoll)
Grundsätzlich hat der Versicherer den Versicherungsnehmer nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen, zu beraten und den erteilten Rat vor Abschluss des Vertrages in Textform zu übermitteln (Beratungsprotokoll, § 6 Abs. 1 u. 2 VVG). Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation durch gesonderte schriftliche Erklärung verzichten (§ 6 Abs. 3 VVG).

3. Informationspflichten vor Vertragsschluss (Informationspflichtenverordnung)
Grundsätzlich hat der Versicherer die für den Vertragsschluss erforderlichen Informationen und Vertragsbestimmungen dem Versicherungsnehmer rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärung in Textform zu übermitteln (§ 7 Abs. 1 VVG). Der Inhalt der Informationspflichten wird konkretisiert in der "Verordnung über Informationspflichten bei Versicherungsverträgen" (VVG-Informationspflichtenverordnung, VVG-InfoV). Der Versicherungsnehmer kann auf die Erteilung der Informationen vor Vertragsschluss durch gesonderte schriftliche Erklärung verzichten. In dem Fall und wenn der Vertrag auf Verlangen des Versicherungsnehmers telefonisch oder unter Verwendung anderer Kommunikationsmittel geschlossen wird, die eine Information in Textform vor Vertragsschluss nicht gestatten, müssen die Informationen unverzüglich nach Vertragsschluss nachgeholt werden.

4. Schriftlicher Vertrag (Versicherungsschein)

Der Versicherungsvertrag kommt durch Annahme des Versicherungsantrags durch den Versicherer zustande. Der Versicherer ist verpflichtet, dem Versicherungsnehmer darüber einen Versicherungsschein auszuhändigen (§ 3 Abs. 1 S. 1 VVG). Der Inhalt des Versicherungsvertrages ergibt sich aus dem Versicherungsschein und seinen Anlagen. Abweichungen vom Versicherungsantrag zum Nachteil des Versicherungsnehmers (z.B. Änderungen von Vertragsbeginn oder Leistungsumfang) sind möglich und gelten als genehmigt, wenn ein auffälliger Hinweis auf die Abweichungen erfolgt und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Zugang des Versicherungsscheins in Textform widerspricht (§ 5 Abs. 2 VVG).

5. Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers
Der Versicherungsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 2 Wochen widerrufen (§ 8 Abs. 1 VVG). Bei Lebensversicherungsverträgen beträgt die Widerrufsfrist 30 Tage (§ 152 Abs. 1 VVG). Der Widerruf ist in Textform gegenüber dem Versicherer zu erklären und bedarf keiner Begründung. Für die Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. Die Widerrufsfrist beginnt nach Erhalt folgender Unterlagen in Textform: Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Information nach § 7 Abs. 1 S. 1 VVG, sowie einer deutlich gestalteten Belehrung über das Widerrufsrecht und seine Rechtsfolgen.

6. Auskunftsrechte nach Vertragsschluss
Ist der Versicherungsschein abhanden gekommen oder vernichtet, kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer (gegen Übernahme der entstehenden Kosten) die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen (§ 3 Abs. 3 VVG). Darüber hinaus kann der Versicherungsnehmer jederzeit vom Versicherer (gegen Übernahme der entstehenden Kosten) die Erteilung von Abschriften der Erklärungen verlangen, die er mit Bezug auf den Vertrag abgegeben hat (§ 3 Abs. 4 VVG).

7. Wahrnehmung der Rechte und Pflichten

Die vom Gesetzgeber geschaffenen differenzierten Informations- und Belehrungspflichten nutzen jedoch nur dem umsichtigen Versicherungsnehmer. Dazu gehört insbesondere die detaillierte Dokumentation des eigenen Versicherungsbedarfs im Beratungsprotokoll, korrekte Angaben im Versicherungsantrag sowie das Lesen und Prüfen der Vertragsunterlagen, speziell der Versicherungsbedingungen.

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